der freche aber absolut liebenswerte Eichelhäher

die Geschichte unseres fliegenden "Hofhundes"

Dieser Eichelhäher... Dass er eine eigene Geschichte bekommt, war sowas von klar. Denn seine Geschichte begann so verrückt, so unglaubwürdig wie nur wenige. Und das, wo ich doch einige verrückte Geschichten zu hören bekomme. 

Es war im Juni, ich erhielt einen Anruf. Eine Dame aus Basel. Sie habe da einen Eichelhäher sitzen, einen Jungen. Nach einigem Hin und Her war klar, dass es sich um einen Aestling handelt, also bitte wieder zurücksetzen. 

Nun, das geht nicht. Ja, warum nicht? Achtung, jetzt gehts los. Diese Dame wohnt wohl in der Nähe des Tierheimes. Bzw. da, wo das Tierheim normalerweise ist, doch momentan befindet es sich ja in Münchenstein. Gut, nun hatte also wohl ein Herr mit einem Hund diesen Vogel von irgendwo aus einem Park in Basel zusammengesammelt, sich das Tier unter den Arm geklemmt und wollte den zum Tierheim bringen. Leider war da aber eben kein Tierheim sondern nur diese Dame. Er drückte also den Vogel dieser Dame, die ihn freundlicherweise aufgeklärt hatte, dass da eben kein Tierheim ist, in die Hand und machte sich aus dem Staub. Die gute Dame stand nun also da, hatte nun einen Vogel (wortwörtlich) und wusste nicht wohin damit. Und wo er her kam, wusste sie ja auch nicht... Nun gut, abgesehen davon, dass ich etwas Mühe mit dieser Geschichte habe (wer lässt sich schon von einem wildfremden Mann einfach einen wilden Vogel unter den Arm klemmen?) musste ich ja doch auch etwas schmunzeln. Für alle, die sich jetzt fragen: nein, ich weiss bis heute nicht ob diese Geschichte so stimmt oder nicht. 

Ich liess mir den Vogel also bringen. Ein Eichelhäher, typischer Aestling und typischer Eichelhäher. Ein Gourmet. Der Herr (oder die Dame?) frisst nicht alles, oh nein. Nur ausgewählte Köstlichkeiten aber auch davon bitte nicht zuviel. Da ich zu dem Zeitpunkt wirklich schon in allen Ecken der Wohnung Vögel hatte und dieser Kerle definitiv etwas mehr Betreuung brauchte, bat ich meine Freundin und Helferin, ob sie nicht Lust hätte, sich einige Tage um den kleinen zu kümmern. Sie sagte freudig zu -- und sollte es noch bereuen, hehehehehe... 

Ihre Aussagen waren dann unterschiedlich. Am ersten Tag hiess es noch: Du, der ist ganz nett, er sitzt ruhig im Nest, schläft viel, möchte am liebsten alle 15 Minuten etwas essen, aber immer nur ganz wenig. Meinst Du, der verhungert? Nööö, wahrscheinlich nicht. 

Einige Tage später: dieser Vogel ist echt schlimm. Er beginnt nun in der Wohnung zu fliegen und macht nur Blödsinn. Er stürzt immer ab und macht alles kaputt. Wenn ich ihn alleine lasse, schreit er. Seine Haufen (die er in grosser Zahl fallen lässt...) sind blau, ist das normal? Ach nein, ich weiss schon, das ist wohl wegen der Heidelbeeren, die mag er sehr. Okeeeee... 

Wieder einige Tage: He, nimm diesen Vogel, der muss weg. Er fliegt und macht nur Blödsinn und man kann ihn kaum mehr einfangen. Und er ist verwöhnter Mistkerl, er isst nur, was er will und will nur das Beste. Nein, er wird nicht verhungern und ich weiss jetzt, warum seine Eltern ihn aus dem Nest geschmissen haben. 

Wieder einige Tage später war es soweit; klein Hähi kam zu mir. Anscheinend frisst er nun alleine, das war die Voraussetzung. Hähi kam, übernachtete eine Nacht in der Wohnung und machte einen Wahnsinnsradau, am nächsten Tag liess ich ihn in die Voliere, wo er super flog aber irrsinnig gestresst war. Futter rührte er nicht an. Er bettelte auch nicht bei mir. Ich fing ihn ein und musste ihn zwangsfüttern, hatte Angst, der verhungere sonst. Pustekuchen, er kotzte alles wieder raus und grinste mich an. 
Am nächsten Tag kam meine Freundin. Er hörte ihre Stimme, hing im Netz, schrie und krächzte und bettelte herzzerreissend um Futter. Nun gut, am nächsten Tag kam er auch zu mir und bettelte bei mir. Wir waren wieder Freunde. Irgendwie brauchte es meine Freundin, um zu vermitteln.

Er war einige Zeit in der Voliere, flog prima und war sehr selbständig, dennoch freute er sich immer über Zuwendung und frass noch gerne aus der Hand. Ich beschloss, ihn auszuwildern. Vielleicht würde er ja freiwillig bleiben. Türe blieb also offen, Futterstelle war bereit, am nächsten Tag war der Vogel weg, die Futterstelle aber auch leer. Nun gut, die Meisen sind ja auch nicht blöd und mögen Nüsse.

Einige Tage später kam meine Freundin wieder auf Besuch und ich sagte ihr, der Häher sei nicht mehr aufgetaucht. Wir liefen plaudernd zu den Volieren und sie rief den Häher. Es krächzte aus dem Wald und er kam im Sturzflug daher.  Die beiden spielten zusammen und sie übte mit ihm jagen. Im Gras lief also eine Spinne, sie rief ihn, er krächzte, kam an und schnappte sich sogleich die Spinne. Der Schlaumeier hatte es schon lange verstanden! Seit also meine Freundin da war, liess er sich auch bei mir immer blicken. Kam ich den Weg zu den Volieren runter, krächzte es meist im Wald und er kam im Sturzflug daher. Das macht er heute noch. Und er macht sich einen Spass draus, uns zu erschrecken. Er fliegt so nahe an einem vorbei, dass er mit den Flügeln fast den Hals der Menschen streift und in dem Moment, auf dieser Höhe, krächzt er schallend los... Frecher Kerl. 

Nun, heute, viele Wochen später, ist er immer noch da. Er ist der König über die Anlage. Unser Wachhund. Wehe, es kreist ein Greifvogel, dann erkenne ich sofort an seinem Ruf, dass nun was nicht gut ist. Er isst Nüsse und auch sonst alles, was wir essen. Hundeguetzli mag er auch. Er gönnt auch den Meisen, dass sie ihm die Nüsse klauen. Aber ab und an will er es nicht, dann stürzt er mit einem lauten Krächzen auf sie zu und diese flattern panisch davon. Und ich wette, der Häher grinst sich dabei in die Kralle.

Inzwischen ist er ein Meister im Essen fangen. Egal was, man wirft es ihm zu und er fängt es. Und er ist dabei enorm geschickt. 

Einmal musste ich richtig über ihn lachen, diese Vögel sind so intelligent und zeigen richtig Gefühle:

ich sass im Gras und er sass auf meinem Arm. 

Eine Fliege krabbelte ebenfalls über meinen Arm und flog dem Häher dann um den Kopf. Er hörte sie, öffnete die Augen, schnappte nach ihr, man hörte wirklich den Schnabel zuklappen und ich dachte nur, wow, zum Glück war mein Finger nicht dazwischen. Leider erwischte er die Fliege nicht und in dem Moment, wo er auch merkte, dass er sie nicht erwischt hatte, liess er einen entrüsteten Ruf erklingen, sorry, ich kann nicht anders, aber ich könnte schwören, der hat echt geflucht! :-)

Hoffentlich bleibt der schöne Vogel noch eine Weile bei uns. Er bereitet uns viel Freude. Er hat seine Freiheit, kann gehen, wohin er will. Aber es würde mich freuen, wenn er unser Stationsmaskottchen bleiben würde.


Sollten Sie also bei der Station mal einen Eichelhäher sehen, es könnte unserer sein. Seien Sie bitte nett zu ihm aber versuchen Sie nicht, ihn zu streicheln oder gar zu fangen--das mag er nicht und da könnte er auch seinen Schnabel zur Wehr einsetzen!